eE04.3 Protokoll Nr. 8 zum 27.02.23

Zeit: 19:30 bis 21:20 Uhr                              -                               Ort: online

anwesend: Regine, Sabine, Roman, Friedrich - Monika im off

Petra hat sich leider abgemeldet. Wäre sie da gewesen, hätte sie gesehen, dass die Aufgabe auch für die anderen nicht vollständig lösbar war.

A) Zur Begrüßung hatte ich einen kleinen Dialog geschrieben, etwa so:

  • χαίρετε. πῶς ἔχετε;                Seid gegrüßt (Freut euch)! Wie geht es euch (Wie habt/befindet ihr euch)?
  • καλῶς ἔχομεν.                       Gut geht es uns (Gut haben/befinden wir uns).
  • καὶ σὺ, πῶς ἔχεις;                  Und du, wie geht es dir?
  • καὶ ἐγὼ καλῶς ἔχω.               Auch (Und) mir geht es gut.
  • ἀλλὰ οἱ ἄλλοι, πῶς ἔχουσιν; Aber die anderen, wie geht es ihnen?

      Anmerkungen dazu:

  1. πῶς; „wie?“ ist die interrogative Variante zum relativischen ὡς „wie; da, weil, dass“.
  2. Beide Wörter sind durch die Endung -ῶς als Adverbien erkennbar.
    Dasselbe gilt für das Αdverb καλῶς „gut, schön“.
    Im Dt. wird das Adjektiv „guter, gute, gutes“ durch Endungslosigkeit zum Adverb.
  3. καί kann auch die Bedeutung „auch“ annehmen: καὶ ἐγὼ = „auch ich“
  4. Erinnerung an die Abfolge der Ablaute im Thema-Vokal der thematischen Verben im Ind.Pr.:
    1.Sg. – 2.Sg. – 3. Sg. – 1.Pl. – 2.Pl. – 3.Pl.
      -o-   –   -ε-   –   -ε-   –   -ο-  –   -ε-  –  -ο-     Das ergibt zuusammen mit den Personalendungen:
      -ω      -εις      -ει        -ο-μεν   -ε-τε   -ουσι(ν) 
    Das Ganze haben wir schon einmal betrachtet in DE/KE_Flexionsendungen.
    Nur in der 1./2.Pl. sind die ursprünglichen Themavokale -o- und -ε- noch unverändert erhalten.
    In den übrigen Formen gehen sie zwar neu Verbindungen ein, aber der o- bzw. e-Laut ist überall noch erkennbar. Wir lernen die grün geschriebenen Endungen als
    Primärendungen des Indikativ Präsens Aktiv (Ind.Pr.A) der thematischen Verben.
  5. Genauer angesehen haben wir uns das -oυ- in -ουσι(ν) in der 3.Pl. Es entstand durch Ausfall eines -σ-, für das es eine Ersatzdehnung gab, etwa vorstellbar als Verdoppelung des Themavokals -o-.
    Die Entwicklung ist wie folgt vorzustellen (ab jetzt kennzeichne ich die rekonstruierten idg. Formen mit *):
    *-ο-(¤)τι > *-ο-(¤)σι > durch Ersatzdehnung -ooσι > -ουσι
  6. Die Kontraktion des doppelten -oo- zu -oυ- geschieht an vielen Stellen in der gr. Sprachentwicklung.

Wir lernen damit ein erstes Lautgesetz der Kontraktion kennen, dem bald andere folgen werden:
1. Kontraktionsregel: -oo- > -ου

 

B) Besprechung der „Hausaufgabe“

Wir haben zuerst Subjekte (Nom.) und dazu passende Prädikate (Sg./Pl. - Kongruenz) herausgesucht:
Ἀρίων ᾄδει und ἄνθρωποι ἔχουσιν, ergänzt um einen weiteren Nom. zu πολλοὶ ἄνθρωποι ἔχουσιν.

Dann ergaben sich jeweils sinnvolle Akkusativobjekte (AO):

Ἀρίων πολλοὺς καλοὺς διθυράμβους ᾄδει und πολλοὶ ἄνθρωποι μεγάλην ἡδονὴν ἔχουσιν
Dann kamen die Dative mit ihren Zugehörigkeiten dran:

Ἀρίων πολλοὺς καλοὺς διθυράμβους ἐν Κορίνθῳ ᾄδει. und
πολλοὶ ἄνθρωποι ταύτῃ τῇ τοῦ κιθαρῳδοῦ τέχνῃ μεγάλην ἡδονὴν ἔχουσιν.
Einiges Neues gab es dabei zu lernen:

  1. ταύτῃ τῇ τοῦ κιθαρῳδοῦ τέχνῃ „Diese Kunst des Kitharoden“: Das gr. Demonstrativpronomen bei einem Substantiv wird – anders als im Dt. - mit dem Artikel verbunden.
    Es steht dann vor oder nach der attributiven Klammer.  
  2. Vier kleine Wörter waren noch unterzubringen: - δὲ - καὶ - μὲν - τῇ -
    μέν ... δέ stehen nie an erster Stelle eines Satzes, häufig an zweiter Stelle:
    Ἀρίων μὲν πολλοὺς καλοὺς διθυράμβους ἐν Κορίνθῳ ᾄδει.
    πολλοὶ δ’ ἄνθρωποι ταύτῃ τῇ τοῦ κιθαρῳδοῦ τέχνῃ μεγάλην ἡδονὴν ἔχουσιν.
  3. δὲ kommt dann vor einen anlautenden Vokal zu stehen und wird (weil kurz) elidiert
    (= ausgelassen und durch einen Apostroph ersetzt.
    Die Griechen mieden den Hiatus (= das Aufeinanderstoßen zweier Vokale in der Wortlücke).
  4. Wohin mit dem letzten τῇ? Es könnte in ἐν τῇ Κορίνθῳ eingeschoben werden, weil Κόρινθος f. ist und Eigennamen auch mit dem Artikel verbunden werden können (nicht müssen).
  5. Es könnte aber auch dazu dienen, die attributive Klammer ταύτῃ τῇ τοῦ κιθαρῳδοῦ τέχνῃ aufzulösen zu ταύτῃ τῇ τέχνῃ τῇ τοῦ κιθαρῳδοῦ (s. letztes Protokoll).
  6. Bleibt das καὶ. Es könnte neben dem δὲ zur Satzverbindung dienen, dann aber in seiner Bedeutung „auch“:  πολλοὶ δὲ καὶ ἄνθρωποι „Aber auch viele Menschen …“
  7. Aber folgendes ist näherliegend: Im Gr. werden – anders als im Dt. – πολύς und ein folgendes Adjektiv in der Regel durch καί verbunden; hier also πολλοὺς καὶ καλοὺς διθυράμβους.

Das alles konntet Ihr nicht wissen. Aber solche aufkommenden Fragen machen auf Eigenheiten der Sprache aufmerksam. Beim einfachen Übersetzen könnte man sie leichter überlesen und übergehen.
Also bitte kein Frust, wenn Ihr nicht alles zufriedenstellend lösen konntetn. Ich wollte Euch aber auf die Punkte 1 bis 7 aufmerksam machen.

C) Die Primärendungen des Indikativ Präsens Medio-Passiv (Ind.Pr.MP):
Den Ausdruck Medio-Passiv will ich hier noch nicht erklären. Fürs erste geht es nur darum,
dass es Verben gibt, die die Primärendungen des Ind.Pr.A (s. o. unter A) nicht kennen,
(man nennt sie Deponentien, im Sg. Deponens, als hätten sie die Formen des Aktiv „abgelegt“)
sondern nur mit denen des Ind.Pr.MP verbunden werden.
Sie lauten in Reinformen: -μαι, -σαι, -ται, -μεθα, -σθε, -νται (ACHTUNG: Alle diese αι sind kurz!)
und kommen unverändert in zwei vielgebrauchten Verben der athematischen Konjugation vor, nämlich in κεῖ-μαι „ich liege“ und  δύνα-μαι „ich kann“.
Bei den thematischen Verben bleiben diese Endungen auch meist unverändert, nur in der 2.Sg. findet wieder eine Kontraktion statt:
Das -σ- zwischen zwei Vokalen fällt hier wie an vielen anderen Stellen in der Formenbildung einfach aus und die beiden dann aufeinanderstoßenden Vokale werden kontrahiert: -ε-(σ)αι > -ε-αι > -ῃ.
Unsere 2. Kontraktionsregel lautet: ε vor α > η. (Brauchste jetzt nicht zu behalten, kommt wieder.)
Und dann wird das noch folgende ι vom langen η verschluckt und erscheint als ι subscriptum. Also lauten die Primärendungen der thematischen Verben: -o-μαι, -ῃ, -ε-ται, -ό-μεθα, -ε-σθε, -ο-νται.
Die vollständigen Paradigmata stehen unten in eE04.1 ὁ θησαυρός.

D) Übersetzung von eE04.1, solange Kraft und Zeit noch hielten:
1  Ἀνὴρ γεωργὸς γιγνώσκει,                    Ein Bauersmann merkt (erkennt),

2  ὅτι μέλλει ἁποθνῄσκειν,                        dass er <bald> sterben soll,

3  καὶ ἐπεὶ βούλεται τοὺς αὐτοῦ παῖδας    und weil er °° seine Kinder
    ἐμπείρους ποιεῖν τῆς γεωργίας,             der Landwirtschaft kundig machen ^will^,

4  συλλέγει αὐτοὺς καὶ λέγει·                   ruft er sie zusammen (versammelt er sie) und sagt: …

E) Vorbereitung zum nächsten Montag:

a: Das Protokoll zu verstehen suchen (Nachfragen und Fehlermeldungen sind erwünscht).
b: Die primären Personalendungen der thematischen Verben im Ind.Pr.A und Ind.Pr.MP lernen.
c: Natürlich die paar Vokabeln von eE04.2 beim Abschreiben lernen.
c: Soweit Ihr mögt, die Aufgabe eE04.4 erledigen und mir zuschicken.