eE02.4 Protokoll zu 23.01.23

Zeit: 19:30 bis 21:30 Uhr              Ort: online
anwesend: Frau Bergfeld und die Herren Haage und Jerabek, Holtiegel

Wir sind zu Beginn aufs Lernen der Vokabeln eingegangen. Dabei habe ich dringend darum gebeten, sie so zu lernen, wie ich es in der Audiodatei E01.2_Vokabeln vormache. Sie müssen das laut vor sich hersagen wie die schon mal zitierten I-Männchen. Und Sie müssen die Vokabeln wirklich ins DIN A4- Heft abschreiben. Schreiben und Sprechen gehören zusammen und ergänzen sich beim Einprägen. Nur mal leise über die Vokabeln hinzuhuschen, lohnt eigentlich die Zeit nicht. Und bitte, nutzen Sie meine pedantisch erscheinenden Hilfen! Die Devise muss bei allem sein: Lieber wenig, das aber gründlich!

Frau Bergfeld fragte empört, was ich mir denn dabei gedacht hätte, so’ne Vokabel wie τὸ τέλος, τοῦ τέλους unterzumischen, nun, als Vorboten der 3. Deklination (-εσ-Stamm). Darüber habe ich mich richtig gefreut; denn erstens hat sie genau hingesehen, zweitens musste das erklärt werden (was ich hoffentlich ausgiebig genug getan habe) und drittens versuche ich nichts zu unterschlagen, was im Text vorkommt; denn Sie haben einen Anspruch darauf, dass wir den Wortlaut der originalen Texte – soweit es irgend geht – ernst nehmen. Also bitte empören Sie sich und fragen Sie nach! Das hilft weiter.

Dann haben wir das Deklinations-Paradigma des Artikels (τὸ παράδιγμα, τοῦ παραδίγματος – das Beispiel [den Dentalstamm der 3. Dekl. kennen wir doch schon, oder?]) genauer angesehen. Dabei sollte klar werden, dass die Kasus-Endungen bis auf zwei Ausnahmen mit denen der o-Deklination (maskulinum und neutrum) und der a-Deklination identisch sind.

Die vielen Beispiele für die o-/a-Deklination in eE02.3_o-/a-Dekl.1 bringen, was die Kasusendungen angeht, nichts Neues außer, dass wir jetzt in der a-Deklination die Unterscheidung zwischen dem Themavokal -η- und -α- (nach ε, ι, ρ) kennengelernt haben. Der Ausdruck α purum lässt darauf schließen, dass wir in der nächsten Lektion auch noch ein α impurum kennen lernen werden.

Das bringt mich noch einmal auf die idg. Verneinungssilbe aufs Privativum *¤. Dieser kleinen Kreis unter der Liquida l oder den Nasalen m, n bezeichnet in der wissenschaftlichen Schreibweise fürs Indogermanische, dass sie sonantisch sind, also zur Ergänzung mit einem Vokal neigen, der in den idg. Dialekten unterschiedlich ausfiel: gr. ἀνελεύθερος, lat. impeditus, dt. unfrei oder gr. ἀκάθαρτος (zu καθαρός rein), lat. impurus, dt. unrein. Solche Sonantien spielen auch bei der Kasusbildung eine Rolle, wie ich in eE02.3_o-/a-Dekl.1 unten rechts gezeigt habe.

Wir haben in eE02.2 die ersten 9 Beispielsätze übersetzt:
Dabei zeigte sich, dass πάντα in den Vokabeln fehlte. Ich habe πᾶς inzwischen nachgetragen und bitte Sie nachzuvollziehen zu versuchen, wie πᾶς und πᾶν aus der Wurzel παντ- entstehen konnten. Dazu die Zusatzinformation, dass der Nom.Sg.m./f. in der 3. Deklination häufig mit einem -ς gebildet wird; so auch in παῖδ-ς > παῖς Kind.
Das Femininum πᾶσα endet offensichtlich auf ein α impurum; denn es nicht lang und steht nicht hinter einem ε, ι, ρ.

 
  1. μέτρον ἄριστον
 

Maß(halten) ist das Beste.

 
  1. οἱ πλεῖστοι κακοί
 

Die meisten sind (Die Menge ist) schlecht.

 
  1. ἀνελεύθεροι γάρ εἰσιν οἱ φιλάργυροι
 

Denn znfrei sind die Geldgierigen.

 
  1. Αἱ μὲν ἡδοναὶ θνηταί,
    αἱ δ᾿ ἀρεταὶ ἀθάνατοι.
 

Die Lüste [zwar] sind sterblich/vergänglich,

aber die Tugenden sind unsterblich.

 
  1. οὐ μόνον ἐν τῷ κόσμῳ κενόν ἐστί τι,
    ἀλλὰ καὶ ἔξω τοῦ κόσμου
 

Nicht nur im Kosmos ist/gibt es etwas Leeres,
sondern auch außerhalb des Kosmos.

 
  1. τοῖς θεοῖς τέλεια πάντα
 

Den Göttern ist alles (sind alle Dinge) vollkommen.

 
  1. πάντα ῥεῖ
 

Alles fließt.

 
  1. πάντων χρημάτων μέτρον ἄνθρωπος
 

Homo-mensura-Satz des Sophisten Protagoras :
Aller Dinge Maß ist der Mensch.

 
  1. Πόνος πόνῳ πόνον φέρει.
 

Leid bringt Leid Leid. / Leid fügt dem Leid <weiteres> Leid hinzu.

In Satz 3 betrachteten wir die Kongruenz, d.h. die Entsprechung von Subjekt und Prädikat hinsichtlich Numerus und Genus.
In Satz 7 sehen wir eine wichtige Ausnahme; denn πάντα ist Nom.Pl.n., aber ῥεῖ ist Sg. „er/sie/es fließt“ (wie φέρει in Satz 9 „er/sie/es bringt“). Diese Ausnahme gilt für alle Nomina im Νοm.Pl.n.; denn die Kasusendung -α bezeichnete ursprünglich nicht „eine Mehrzahl von Dingen“ sondern die Zusammenfassung dieser Dinge in einem Kollektivbegriff. Im Dt. sagen wir zu vielerlei Bergen Gebirge, zu vielerlei Büschen Gebüsch und statt „die Wasser“ Gewässer; hier wirkt die Vorsilbe Ge- kollektiv. Die Griechen fassten den Pl.n. als Singular, also als collectivum auf.

Nächster Termin: Mo, 30.01., 19:30 Uhr

Vorbereitung dafür:

  1. Bitte, bitte die alten Vokabeln und die neuen in eE02.1_Vokabeln abschreiben und laut lernen, aber nur bis πόνος; denn zum darauf folgenden φέρω werden wir uns beim nächsten Treffen anhand der Seite Deklination/DE_KE_Flexionsendungen.pdf genauer unterhalten.
  2. Und bitte, bitte unverdrossen weiterüben, die Paradigmata aus eE02.3 o-/a-Dekl.1 aufzusagen. Ich werde in den nächsten Tagen noch Audiodateien dazu einspielen.