pDem9.64-67 Protokoll zum 18.12.2022

Zeit: 10:00-12:15 – Ort: online

anwesend: Caren, Holger, Friedrich

 

Übersetzung:
Wieder wenig geschafft.
Aus zwei Gründen: Zum einen haben wir lange über unsere deutsche Atomkraftwerk-usw.-Diskussion gesprochen, weil ich das ὑποκατακλινόμενοι in Z. 9 damit erklären wollte, dass sich auch heute οἱ πολλοί angesichts komplexer ideologischer Debatten ὑποκατακλινόμενοι = „eingeklemmt untenliegend = hilflos“ fühlen, „da sie meinen, überhaupt nicht mehr mitzukommen = besiegt zu sein“. Ich halte dieses eher wörtliche Verständnis von ὑποκατακλινόμενοι als Passiv für angemessener als die Übersetzung als Medium mit patriarchalisch-erotischer Anspielung im Gemoll: „sich fügen“.
Aber dann – ich hatte wohl einen schlechten Tag - stand ich leider zweimal auf dem Schlauch und hätte sofort auf Caren hören sollen:

Z. 11 ἐπειδὰν εἰδῆτε: Sie hatte recht, natürlich ist εἰδῆτε Konj.Aor. von εἶδον, also von ὁράω. Ιch bitte um Entschuldigung. Und

Z. 19 ἐφείσατο: kommt natürlich von φείδομαι „schonen, sparen“. Wie lange haben wir/ habe ich doch gebraucht, um auf Caren zu hören!
 

 

 

 

 

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[64] εἰσφέρειν ἐκέλευον, οἱ δ᾽ οὐδὲν δεῖν ἔφασαν·

πολεμεῖν καὶ μὴ πιστεύειν,

οἱ δ᾽ ἄγειν εἰρήνην, ἕως ἐγκατελήφθησαν.

τἄλλα τὸν αὐτὸν τρόπον οἶμαι πάνθ᾽, ἵνα μὴ καθ᾽ ἕκαστα λέγω·

οἱ μὲν ἐφ᾽ οἷς χαριοῦνται, ταῦτ᾽ ἔλεγον,

οἱ δ᾽ ἐξ ὧν ἔμελλον σωθήσεσθαι.

πολλὰ δὲ καὶ τὰ τελευταῖα οὐχ οὕτως

πρὸς χάριν[1] οὐδὲ δι᾽ ἄγνοιαν οἱ πολλοὶ προσίεντο,

ἀλλ᾽ ὑποκατακλινόμενοι, ἐπειδὴ τοῖς ὅλοις ἡττᾶσθαι ἐνόμιζον.

Sie forderten Steuern zu erheben. Die andern aber sagten, es sei nicht nötig;

Krieg zu führen und nicht zu vertrauen.

Die andern aber, Frieden zu halten, bis sie sich völlig verfangen hatten.

Das andere verhält sich auf dieselbe Weise, um nicht jedes im Einzelnen aufzuzählen.

Die einen sagten das, wobei sie gefallen,
die anderen, aufgrund dessen sie erwarteten, dass <der Staat> gerettet wird.

Vieles aber auch ^ließ die Menge^ schließlich nicht einfach so zu,

weil es angenehm ist und auch nicht aus Unwissenheit,

sondern indem sie sich fügt, weil sie glaubt, überhaupt unterlegen zu sein.

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[65] ὃ νὴ τὸν Δία καὶ τὸν Ἀπόλλω δέδοικ᾽ ἐγὼ μὴ πάθηθ᾽ ὑμεῖς,

ἐπειδὰν εἰδῆτ᾽ ἐκλογιζόμενοι μηδὲν ἔθ᾽ ὑμῖν ἐνόν.

καίτοι μὴ γένοιτο μέν, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, τὰ πράγματ᾽ ἐν τούτῳ·

τεθνάναι δὲ μυριάκις κρεῖττον ἢ κολακείᾳ τι ποιῆσαι Φιλίππου

καὶ προέσθαι τῶν ὑπὲρ ὑμῶν λεγόντων τινάς.

καλήν γ᾽ οἱ πολλοὶ νῦν ἀπειλήφασιν Ὠρειτῶν χάριν,

ὅτι τοῖς Φιλίππου φίλοις ἐπέτρεψαν αὑτούς, τὸν δ᾽ Εὐφραῖον ἐώθουν·

Und das, beim Zeus und beim Apollon, fürchte ich, wird euch so ergehen,

wenn ihr bei reiflichem Nachdenken seht, dass euch nichts mehr möglich ist.

Freilich sollen, Athener, die Dinge indessen nicht <so> liegen.
Zu sterben ist aber tausendfach besser als mit Schmeichelei etwas im Sinne Philipps zu tun

und einige der für euch Redenden preiszugeben.

Einen schönen Dank hat die Menge der Oreer nun davongetragen,

dafür dass sie sich den Freunden Philipps zuwandten, Euphraios aber verstießen.

 

 

 

 

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[66] καλήν γ᾽ ὁ δῆμος ὁ Ἐρετριέων,

ὅτι τοὺς ὑμετέρους πρέσβεις ἀπήλασε, Κλειτάρχῳ δ᾽ ἐνέδωκεν αὑτόν·

δουλεύουσί γε μαστιγούμενοι καὶ σφαττόμενοι.

καλῶς Ὀλυνθίων ἐφείσατο

τῶν τὸν μὲν Λασθένην ἵππαρχον χειροτονησάντων,

τὸν δ᾽ Ἀπολλωνίδην ἐκβαλόντων.

Einen schönen <Dank> auch das Volk der Eritrieer,

dafür dass es eure Gesandten wegschickte, sich aber dem Kleitarchos in die Arme warf.

Sie sind wahrlich versklavt, werden gegeißelt und abgeschlachtet.

Wie schön schonte er die Olynthier,

die Lasthenes zum Hipparchen wählten,

Apollonides aber verbannten.

 

 

 

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[67] μωρία καὶ κακία τὰ τοιαῦτ᾽ ἐλπίζειν,

καὶ κακῶς βουλευομένους[2] καὶ μηδὲν ὧν προσήκει ποιεῖν ἐθέλοντας,

ἀλλὰ τῶν ὑπὲρ τῶν ἐχθρῶν λεγόντων ἀκροωμένους,

τηλικαύτην ἡγεῖσθαι πόλιν οἰκεῖν τὸ μέγεθος[3]

ὥστε μηδέν, μηδ᾽ ἂν ὁτιοῦν ᾖ, δεινὸν πείσεσθαι.

Dummheit und Feigheit ist es, so etwas zu hoffen,
und dass man, schlecht beraten und unwillig, das, was nützt, zu tun,

aber aufmerksam auf die, die für die Interessen der Feinde sprechen,

meint, eine so große Stadt [der Größe nach] zu bewohnen,

dass man nichts Schlimmes, was es auch sei, erleiden werde.

 

Nachbesserung:
[67] Lange haben wir über den bloßen Infinitiv (also ohne Subjektsakkusativ) mit PC im Akk. und einen Unterschied zum Latein gesprochen.
Ich habe mich noch einmal in meiner alten lateinischen Sprachlehre von Bornemann umgesehen und gefunden, dass es im Lateinischen durchaus Vergleichbares gibt:
Bornemann § 190: „Fehlt ein Subjektwort [= Subjektsakkusativ] so stehen die prädikativen Satzteile im Akkusativ: Bonum esse oportet, non videri.“
Der Unterschied besteht also wohl nur darin, dass dergleichen im Griechischen sehr viel extensiver gebraucht wird. In meiner Sprache: Das Griechische ist da flexibler.
s. z.B., was wir schon in [51] hatten:

[51] ταῦτα μέντοι πάντας[4] εἰδότας καὶ λογιζομένους

οὐ δεῖ προσέσθαι τὸν πόλεμον εἰς τὴν χώραν,

οὐδ᾽ εἰς τὴν εὐήθειαν
τὴν τοῦ τότε πρὸς Λακεδαιμονίους πολέμου βλέποντας
ἐκτραχηλισθῆναι,

ἀλλ᾽ ὡς ἐκ πλείστου φυλάττεσθαι τοῖς πράγμασι καὶ ταῖς παρασκευαῖς,

ὅπως[5] οἴκοθεν μὴ κινήσεται σκοποῦντας,

οὐχὶ συμπλακέντας διαγωνίζεσθαι.

Wenn <ihr> alle dies wisst und bedenkt,

dürft <ihr> den Krieg nicht ins Land vordringen lassen,
und °°indem <ihr> auf die Einfachheit
des damaligen Kriegs gegen die Spartaner blickt,

<euch>  ^nicht^ ins Verderben stürzen,

sondern müsst möglichst früh mit eurer Politik und euren Vorkehrungen aufpassen,

indem <ihr> zuseht, dass er sich nicht von zuhause fortbewegt,
dass <ihr> nicht im Nahkampf aufeinandertreffend (die Entscheidungsschlacht) kämpft.

 

und noch deutlicher, was wir in [73] noch vor uns haben:
 

[73] οὐ μέντοι λέγω

μηδὲν αὐτοὺς ὑπὲρ αὑτῶν ἀναγκαῖον[6] ἐθέλοντας ποιεῖν,

τοὺς ἄλλους παρακαλεῖν·

Freilich meine ich nicht, dass <man/ihr>,

wenn <man/ihr> selbst nichts für sich/euch selbst Notwendiges tun will/wollt,

die anderen ermutigt.

Eine solche Konstruktion ohne Subjektsakkusativ wäre im Lateinischen wohl kaum möglich.

 

Nächster Termin: So, 08.01.23 mit p9.60-70_Schluss und p9.70-76 Anfang

 

Ich wünsche Euch dreien (!) eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch in ein welt- und nat

 


[1]πρὸς χάριν: hier „weil es gefällt, angenehm ist“

[2] βουλευομένους und die folgenden PC ohne Beziehungswort, daher am besten mit „man“ (τινάς) zu übersetzen

[3] τὸ μέγεθος: Akk.Graecus

[4] πάντας: erg. ὑμᾶς

[5] ὅπως: ordne σκοποῦντας, ὅπως …

[6] ἀναγκαῖον: zu μηδέν gehörig