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pDem1.7-12_Protokoll zum 17.07.22

Zeit: 10:00 – 12:00 Uhr             -            Ort: online
anwesend: Holger, Friedrich – Herzliche Genesungswünsche an Ulf und Wunsch, gründlich ausschlafen
 zu können, für Caren!

Übersetzung: Holger hat allein und pausenlos übersetzt.

[7] νυνὶ γάρ, ὃ πάντες ἐθρύλουν τέως,
Ὀλυνθίους ἐκπολεμῶσαι δεῖν[1] Φιλίππῳ,

Denn jetzt ist, was alle bisher immer wieder sagten,
nämlich man müsse die Olynthier mit Philipp zu Feinden machen,

γέγονεν αὐτόματον, καὶ ταῦθ᾽ ὡς[2] ἂν ὑμῖν μάλιστα συμφέροι.

von selbst geschehen, und dies <so>, wie es euch wohl am meisten nützen dürfte.

εἰ μὲν γὰρ ὑφ᾽ ὑμῶν πεισθέντες ἀνείλοντο τὸν πόλεμον,

Wenn sie nämlich von euch überredet den Krieg begonnen hätten,

σφαλεροὶ σύμμαχοι[3] καὶ μέχρι του[4] ταῦτ᾽ ἂν ἐγνωκότες ἦσαν ἴσως·

wären sie vielleicht unsichere Verbündete und hätten nur bis auf Weiteres diese Einstellung;

ἐπειδὴ δ᾽ ἐκ τῶν πρὸς αὑτοὺς ἐγκλημάτων[5] μισοῦσι[6],

weil sie <ihn> aber aufgrund der Vorwürfe an sie hassen,

βεβαίαν εἰκὸς[7] τὴν ἔχθραν αὐτοὺς

ist es wahrscheinlich, dass sie den Hass beständig ^haben^

ὑπὲρ ὧν φοβοῦνται καὶ πεπόνθασιν ἔχειν.

wegen der Dinge, die sie fürchten und erlitten haben °°.

[8] οὐ δεῖ δὴ τοιοῦτον, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, παραπεπτωκότα καιρὸν ἀφεῖναι,

<Ihr> dürft also, Athener, eine solche <euch> zugefallene Gelegenheit nicht verpassen,

οὐδὲ παθεῖν ταὐτὸν ὅπερ ἤδη πολλάκις πρότερον πεπόνθατε.

und nicht dasselbe erleiden, was ihr schon oft früher erlitten habt.

εἰ γάρ, ὅθ᾽ ἥκομεν Εὐβοεῦσιν βεβοηθηκότες

Wenn ^wir^ nämlich, als wir von dem Hilfseinsatz für die Euböer zurückkamen,

καὶ παρῆσαν Ἀμφιπολιτῶν Ἱέραξ καὶ Στρατοκλῆς ἐπὶ τουτὶ τὸ βῆμα,

und von den Amphipoliten Hierax und Stratokles auf dieser Rednertribüne hier standen

κελεύοντες ἡμᾶς πλεῖν καὶ παραλαμβάνειν τὴν πόλιν,

und uns aufforderten, hinzusegeln und ihre Stadt zu übernehmen,

τὴν αὐτὴν παρειχόμεθ᾽ ἡμεῖς ὑπὲρ ἡμῶν αὐτῶν προθυμίαν

dieselbe Entschlossenheit für uns selbst gezeigt hätten

ἥνπερ ὑπὲρ τῆς Εὐβοέων σωτηρίας, εἴχετ᾽ ἂν Ἀμφίπολιν τότε

wie für die Rettung Euböas, hättet ihr Amphipolis damals gehalten

καὶ πάντων τῶν μετὰ ταῦτ᾽ ἂν ἦτ᾽ ἀπηλλαγμένοι[8] πραγμάτων.

und wärt von all den folgenden Schwierigkeiten frei gewesen.

[9] καὶ πάλιν ἡνίκα[9] Πύδνα, Ποτείδαια, Μεθώνη, Παγασαί, τἄλλα,

ἵνα μὴ καθ᾽ ἕκαστα λέγων διατρίβω,

πολιορκούμεν᾽ ἀπηγγέλλετο,

εἰ τότε τούτων ἑνὶ τῷ πρώτῳ[10] προθύμως καὶ ὡς προσῆκεν

ἐβοηθήσαμεν αὐτοί,

ῥᾴονι καὶ πολὺ ταπεινοτέρῳ νῦν ἂν ἐχρώμεθα τῷ Φιλίππῳ.

νῦν δὲ τὸ μὲν παρὸν ἀεὶ προϊέμενοι,

τὰ δὲ μέλλοντ᾽ αὐτόματ᾽ οἰόμενοι σχήσειν καλῶς,

ηὐξήσαμεν, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, Φίλιππον ἡμεῖς

καὶ κατεστήσαμεν τηλικοῦτον

ἡλίκος οὐδείς πω βασιλεὺς γέγονεν Μακεδονίας.

νυνὶ δὴ καιρὸς ἥκει τις, οὗτος ὁ τῶν Ὀλυνθίων, αὐτόματος τῇ πόλει,

ὃς οὐδενός ἐστιν ἐλάττων τῶν προτέρων ἐκείνων.

Und weiter: als Pydna, Poteidaia, Methone, Pagasai und (das andere >) die anderen Städte,

um mich nicht bei (jedem >) jeder in der Rede aufzuhalten,

als eingenommen gemeldet wurden,
wenn wir damals (dem >) der ersten besten bereitwillig und wie es angemessen (war) gewesen wäre,

selbst zu Hilfe gekommen wären,

fänden wir Philipp jetzt zugänglicher und viel bescheidener.

Da wir nun aber das Gegenwärtige immer vernachlässigt haben

und meinten, das Zukünftige werde sich von selbst gut gestalten,

haben wir, ihr Athener, Philipp wachsen lassen

und so groß gemacht,

wie es wohl kein König Makedoniens gewesen ist.
Jetzt also ist eine Gelegenheit °°, die der Olynthier, von selbst für die Stadt ^gekommen^,

die nicht unbedeutender ist als irgendeine jener vorherigen.

[10] καὶ ἔμοιγε δοκεῖ τις ἄν[11], ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι,

δίκαιος λογιστὴς τῶν παρὰ τῶν θεῶν ἡμῖν ὑπηργμένων[12] καταστάς,

καίπερ[13] οὐκ ἐχόντων ὡς δεῖ πολλῶν,

ὅμως μεγάλην ἂν ἔχειν[14] αὐτοῖς χάριν, εἰκότως[15]·

τὸ μὲν γὰρ πόλλ᾽ ἀπολωλεκέναι[16] κατὰ τὸν πόλεμον

τῆς ἡμετέρας ἀμελείας ἄν τις θείη δικαίως,

τὸ δὲ μήτε πάλαι τοῦτο[17] πεπονθέναι[18]

πεφηνέναι τέ τιν᾽ ἡμῖν συμμαχίαν τούτων ἀντίρροπον[19],

ἂν βουλώμεθα χρῆσθαι[20],

τῆς παρ᾽ ἐκείνων εὐνοίας εὐεργέτημ᾽ ἂν ἔγωγε θείην.

Und ich meinerseits glaube, ihr Athener, °°

wenn ^ein^ gerechter Rechnungsprüfer für die uns von den Göttern bereitgestellten Mittel auftreten sollte,

^dürfte er^ selbst wenn es um vieles nicht <so> bestellt ist, wie es muss,

ihnen dennoch sehr dankbar sein, u. zw. mit Recht.

Denn dass wir im Krieg viel verloren haben,

könnte man mit Recht unserer Sorglosigkeit anlasten,

dass wir das (> das Verluste-Erleiden) nicht schon (längst >) viel früher erlitten haben

und dass uns ein Kampfbündnis als Ausgleich dafür erschienen ist,

wenn wir es denn ergreifen wollen,

möchte ich persönlich als Geschenk des Wohlwollens von jenen ansehen.

[11] ἀλλ᾽, οἶμαι, παρόμοιόν ἐστιν ὅπερ καὶ περὶ τῆς τῶν χρημάτων κτήσεως·

ἂν μὲν γάρ, ὅσ᾽ ἄν τις λάβῃ, καὶ σῴσῃ, μεγάλην ἔχει τῇ τύχῃ τὴν χάριν,

ἂν δ᾽ ἀναλώσας λάθῃ, συνανήλωσε[21] καὶ τὸ μεμνῆσθαι τὴν χάριν.

καὶ περὶ τῶν πραγμάτων[22] οὕτως οἱ μὴ χρησάμενοι τοῖς καιροῖς ὀρθῶς,

οὐδ᾽ εἰ συνέβη τι παρὰ τῶν θεῶν χρηστὸν μνημονεύουσι·

πρὸς γὰρ τὸ τελευταῖον ἐκβὰν ἕκαστον τῶν πρὶν ὑπαρξάντων κρίνεται.

διὸ καὶ σφόδρα δεῖ τῶν λοιπῶν ὑμᾶς, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, φροντίσαι,

ἵνα ταῦτ᾽ ἐπανορθωσάμενοι τὴν ἐπὶ τοῖς πεπραγμένοις ἀδοξίαν ἀποτριψώμεθα.

Aber, glaube ich, es ist ähnlich wie auch beim Erwerb von Geld.

Wenn nämlich einer, was er hat, auch behält, ist er dem Schicksal sehr dankbar,

wenn er es aber, ohne es zu merken, verbraucht hat, verliert er damit zugleich auch die Erinnerung an den Dank.

Und so ^erinnern sich^ bei den politischen Unternehmungen die, welche die Gelegenheiten nicht richtig nutzten,

nicht einmal <daran>, wenn <ihnen> etwas Gutes von den Göttern geschah °°;
denn nach dem am Ende Herauskommenden wird ein jedes von dem zuvor Vorhandenen beurteilt.
Deswegen müsst ihr, o Athener, sehr um das <euch noch> Verbliebene Sorge tragen,

damit wir durch dessen Korrektur den schlechten Ruf über das Vergangene loswerden.

[12] εἰ δὲ προησόμεθ᾽, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, καὶ τούτους τοὺς ἀνθρώπους,

εἶτ᾽ Ὄλυνθον ἐκεῖνος καταστρέψεται,

φρασάτω τις ἐμοὶ τί τὸ κωλῦον ἔτ᾽ αὐτὸν ἔσται βαδίζειν ὅποι βούλεται.

ἆρα λογίζεταί τις ὑμῶν, ὦ ἄνδρες Ἀθηναῖοι, καὶ θεωρεῖ τὸν τρόπον

δι᾽ ὃν μέγας γέγονεν ἀσθενὴς ὢν τὸ κατ᾽ ἀρχὰς Φίλιππος;

τὸ πρῶτον Ἀμφίπολιν λαβών, μετὰ ταῦτα Πύδναν, πάλιν Ποτείδαιαν,

Μεθώνην αὖθις, εἶτα Θετταλίας ἐπέβη·

Wenn wir aber, o Athener, auch diese Menschen im Stich lassen werden

und wenn jener Olynth sich unterwerfen wird,
soll mir einer sagen, was ihn noch hindern wird zu gehen, wohin er will.

Bedenkt und betrachtet denn einer von euch, Athener, °°
auf welche Art und Weise er nach anfänglicher Schwäche groß geworden ist?
Nachdem er zuerst Amphipolis, danach Pydna, weiterhin Poteidaia,

weiter Methone genommen hatte, rückte er auch noch nach Thessalien vor; …



Zur Argumentationsstruktur:
Man verliert den Gedankengang wegen der vielen scheinbaren Wiederholungen leicht aus den Augen. Daher lohnt sich die Betrachtung, wie die Rede sich von einer Argumentationsreihe zur nächsten entwickelt. Ich habe daher eine Zusammenfassung des bisher übersetzten versucht:

[1] Die Athener sollen vor einer Entscheidung alle Ratschläge bereitwillig anhören. (Captatio benevolentiae)
Der καιρός fordert von Athen, sich auf Krieg und Kriegskosten einzustellen:
  [2] Demosthenes‘ Rat: Athenische Truppen und Gesandte nach Olynth schicken.
  [3] Der verschlagene und zupackende Philipp
  [4] … der als Alleinherrscher überall sein muss, kann aber Olynth nicht durch Verhandlungen gewinnen.  
  [5] Denn die Olynthier fürchten die Zerstörung der Stadt und trauen ihm nicht (Beipiele Amphipolis, Pydna).
  [6] Also müssen die Athener sich jetzt auf Unterstützung Olynths mit Krieg und Kriegskosten einstellen.
Die Gunst der Götter emöglicht Athen, seine alten Fehler auszubügeln:
  [7] Nochmals der καιρός: Die Olynther sind jetzt sichere Bundesgenossen.
  [8] Aus Untätigkeit verlar Athen 357 Amphipolis …
  [9] und andere Städte, was Philipp groß gemacht hat. Jetzt aber ist der καιρός gekommen.
  [10] Ein δίκαιος λογιστής wäre den Göttern für die neue gebotene Chance dankbar.
  [11] Wie der, der sein Geld verschwendet hat, vergisst auch die erfolglose Politik den Dank an die Götter für die anfangs gute Lage.
          Aber die Götter gaben Athen noch eine Chance, seinen Ruf der Untätigkeit abzuschütteln.
Opferbereitschaft wird den Krieg von Athen fernhalten.:
  [12] Wenn die Athener nicht handeltn, wie der tatkräftige Philipp handeln würde, wird er bald gegen Athen vorrücken..

Dazu zwei Zitate aus dem Oxford Handbook of Demosthenes

“Every successful orator must engage his audience and then persuade them. The two most notable characteristics of Demosthenes' oratory are variety and consistency. The variety of the presentation would have kept his hearers alert and engaged, and the consistency of the message, a steadfast adherence to certain basic ideas that are repeated in various ways throughout the speech, gives the speeches a forceful quality that would have been likely to persuade the audience. Variety gives an impression of speed, which clemands that the hearers be attentive, but behind all this rapid movement there is a tendency to linger on certain basic propositions and attitudes that the orator wants to instill in his audience. And this combination of rapidity of presentation and uniformaty of message, which Dıonysıus intuits and Hermogenes explaıns clearly, is the secret of Demosthenic oratory.” (Cecil W. Wooten: Demosthenes an Theoretical Considerations of Style, in: The Oxford Handbook of Demosthenes, S. 416)

“Indeed, readers of Demosthenes quickly notice a remarkable feature of his political rhetoric - the utter bluntness with which he delivers his disagreeable advice. Yet the bluntness leads to a complication: though it is a key part of his persuasive strategy, it also entails the risk of alienating the decision-making audience. To counter-balance that risk Demosthenes attempts to instruct the dêmos on the burdens of effective deliberation. (H. Yunis:  Taming Democracy, 1996, zitiert von Cecil W. Wooten a.a.O.)”

 

Nächstes Treffen: s. Vorschlag in Email und/oder ἀγορά: Sonntag, 24.07, 10:00 Uhr

 


[1] Ὀλυνθίους ἐκπολεμῶσαι δεῖν unpers. Konstruktion ("man"), Ὀλυνθίους = AO

[2] καὶ ταῦθ᾽ ὡς lies καὶ ταῦθ᾽ οὕτως ὡς

[3] ἦσαν gehört als Kopula zu σύμμαχοι und zu ἐγνωκότες

[4] μέχρι του „bis zu irgendeinem Punkt = bis auf Weiteres“

[5] ἐγκλημάτων Die Olynthier bitten gerade die Athener um Beistand. Philipps Vorwurf des Verrats muss sich also an sie selbst (αὑτούς) richten (und nicht an die Athener)

[6] μισοῦσι erg. Φίλιππον

[7] εἰκὸς Εllipse, lies εἰκός ἐστιν

[8] ἦτ᾽ ἀπηλλαγμένοι = ἀπηλλαγμένοι ἦτε Umschreibung im Perf. MP.

[9] ἡνίκα Dieser Temporalsatz ist abhängig vom folgenden Konditionalsatz (εἰ) zu verstehen; er ist ihm vorangestellt, und dort weist τότε darauf zurück

[10] ἑνὶ τῷ πρώτῳ einem, und zwar dem ersten = dem ersten besten

[11] ἄν zu καταστάς: Potentialis im PC

[12] ὑπηργμένων erg. πραγμάτων

[13] καίπερ leitet einen konzessiven GA ein.

[14] ἂν ἔχειν potential

[15] εἰκότως nachgestellt "und zwar ..."

[16] ἀπολωλεκέκναι erg. ἡμᾶς

[17] πάλαι „viel früher“ τοῦτο meint das letzte voranstehende Neutrum Sg., nämlich τὸ πόλλ᾽ ἀπολωλεκέναι

[18] πεπονθέναι erg. ἡμᾶς

[19] ἀντίρροπον Prädikativum "als ..."

[20] χρῆσθαι erg. "es", das Gegengewicht

[21] συνανήλωσε gnomischer Aorist, außerdem metaphorisch gebraucht: „verliert er“

[22] τὰ πράγματα im Gegensatz zu χρήματα: Handlungen, Betätigungen, politisches Handeln