p24 Protokoll zum 24.04.2022 Plat.ep.VII.344d-345b

Zeit: 10:00 bis 12:00 Uhr      -      Ort: online          -         anwesend: Caren, Ulf, Friedrich
Wir wünschen Holger, dass er mit seinen Korrekturen schnell durchkommt.

Übersetzung:

τούτῳ δὴ τῷ μύθῳ τε καὶ πλάνῳ                                          Wer nun dieser Erzählung und <diesem> Gedankengang/Exkurs

ὁ συνεπισπόμενος εὖ εἴσεται,                                               gründlich gefolgt ist, wird genau wissen,

εἴτ᾽ οὖν Διονύσιος ἔγραψέν τι                                               sei es nun dass Dionysios etwas geschrieben hat

τῶν περὶ φύσεως ἄκρων καὶ πρώτων                                  vom Höchsten und Ersten über die Natur

εἴτε τις ἐλάττων εἴτε μείζων,                                                  oder sei es ein Geringerer oder ein Größerer,

ὡς οὐδὲν ἀκηκοὼς οὐδὲ μεμαθηκὼς ἦν ὑγιὲς                dass er nichts Vernünftiges gehört und gelernt hat

ὧν ἔγραψεν κατὰ τὸν ἐμὸν λόγον·                                       von dem, was er zu meiner Lehre geschrieben hat.

ὁμοίως γὰρ ἂν αὐτὰ ἐσέβετο ἐμοί,                                      Denn gleich mir hätte er es in Ehren gehalten

καὶ οὐκ ἂν αὐτὰ ἐτόλμησεν                                                    und er hätte nicht gewagt, es

εἰς ἀναρμοστίαν καὶ ἀπρέπειαν ἐκβάλλειν.                     für eine unordentlichen und unschickliche Behandlung (ins Unordentliche und Unschickliche) herauszugeben.

οὔτε γὰρ ὑπομνημάτων χάριν ἔγραψεν                            Denn er schrieb es nicht um des Erinnerns willen,

—οὐδὲν γὰρ [344ε] δεινὸν                                                      - es besteht ja keine Gefahr,

μή τις αὐτὸ ἐπιλάθηται,                                                           dass einer es vergisst,

ἐὰν ἅπαξ τῇ ψυχῇ περιλάβῃ·                                                 wenn er <es> einmal mit der Seele erfasst hat;

πάντων γὰρ ἐν βραχυτάτοις κεῖται—                                 es besteht nämlich im kürzesten Ausdruck von allem -

φιλοτιμίας δὲ αἰσχρᾶς, εἴπερ, ἕνεκα,                                 sondern, wenn überhaupt, wegen des Ehrgeizes,

εἴθ᾽ ὡς αὑτοῦ τιθέμενος                                                          sei es als ob er <es als> seines hinstellt,

εἴθ᾽ ὡς παιδείας δὴ μέτοχος ὤν,                                           sei es als ob er <einer> Bildung nun teilhaftig sei,

ἧς οὐκ ἄξιος ἦν                                                                            derer er nicht würdig ist,

ἀγαπῶν δόξαν τὴν [345α] τῆς μετοχῆς γενομένης.       weil er den Ruf liebt der Teilhabe, die <ihm> zuteil wurde.

εἰ μὲν οὖν ἐκ τῆς μιᾶς συνουσίας                                         Wenn nun ´für Dionyios` aus dem einzigen Zusammensein

Διονυσίῳ τοῦτο γέγονεν,                                                         °° dies hervorging,

τάχ᾽ ἂν εἴη,                                                                                    mag es wohl sein,

γέγονεν δ᾽ οὖν ὅπως[1], ‘ἴττω[2] Ζεύς,’ φησὶν ὁ Θηβαῖος· wie es nun aber war, "soll Zeus es wissen", sagt der Thebaner.

διεξῆλθον μὲν γὰρ ὡς εἶπόν τε ἐγὼ                                     Ich ging es nämlich [sowohl] wie ich sagte persönlich

καὶ ἅπαξ μόνον,                                                                           [als auch] nur einmal durch,

ὕστερον δὲ οὐ πώποτε ἔτι.                                                      später aber niemals mehr.

ἐννοεῖν δὴ δεῖ τὸ μετὰ τοῦτο,                                                Man muss nun das darauf Folgende betrachten,

ὅτῳ μέλει                                                                                       wenn einem daran liegt,

τὸ περὶ αὐτὰ γεγονὸς εὑρεῖν                                                  das damit Zusammenhängende herauszufinden,

ὅπῃ ποτὲ γέγονεν,                                                                      wie es denn geschah

τίνι πότ᾽ αἰτίᾳ τὸ δεύτερον καὶ τὸ τρίτον,                          <und> aus welchem Grunde ´wir es denn nicht`

τὸ δεύτερον καὶ τὸ τρίτον, πλεονάκις τε                            das zweite und das dritte Mal und öfter

οὐ διεξῇμεν·                                                                                 °° durchgingen.

πότερον Διονύσιος ἀκούσας μόνον [345β] ἅπαξ,          Entweder ´glaubt` Dionysios, obwohl er nur einmal gehört hat,

οὕτως εἰδέναι τε οἴεται καὶ ἱκανῶς οἶδεν,                        [1.] so <Bescheid > zu wissen °°  - und er weiß genügend Bescheid - ,

εἴτε αὐτὸς εὑρὼν                                                                        gleichgültig ob er es <nun> selbst herausgefunden

ἢ καὶ μαθὼν ἔμπροσθεν παρ᾽ ἑτέρων,                               oder auch vorher von anderen erfahren hat,

ἢ φαῦλα εἶναι τὰ λεχθέντα,                                                    [2.] oder <er glaubt>, das Gesagte sei wertlos

ἢ τὸ τρίτον οὐ καθ᾽ αὑτόν,                                                      [3.] oder drittens ihm nicht gemäß,

μείζονα δέ,                                                                                    sondern zu anspruchsvoll

καὶ ὄντως οὐκ ἂν δυνατὸς εἶναι                                            und dass er tatsächlich wohl nicht in der Lage sei,

φρονήσεώς τε καὶ ἀρετῆς ζῆν ἐπιμελούμενος.               um Vernunft und Tugend bemüht zu leben.

Auffälliges zur Lexis und Rektion:

Die Rohübersetzung sollte möglichst von der konkreten Grundbedeutung eines Wortes ausgehen, bei Komposita von den einzelnen Komponenten der Zusammensetzung. ἕπομαί τινι heißt "jdm. folgen", ἐφέπομαί τινι "jdm.
(zu-)nachfolgen, jdn. verfolgen", συνεφέπομαί τινι "jdn./etw. mitverfolgen, Schritt für Schritt verfolgen"; danach erst sind die metaphorischen Wendungen ins Abstrakte angezeigt: "einem Gedankengang genau folgen". Das heißt ganz praktisch: Von den Einträgen im Lexikon sind zuerst die allerersten in die Übersetzung einzusetzen, und dann nach erst kann man schauen, ob eine der späteren Wortgleichungen besser passt.
Dasselbe gilt für die Rektion des Verbs (oder die Abhängigkeit eines Kasus):
Vorrangig ist der Dativ bei συνεφέπομαί sein Objekt; erst wenn das nicht angemessen ist, kommt er vielleicht als instrumentaler Dativ in Betracht.
Oder bei ἐννοεῖν δεῖ τὸ μετὰ τοῦτο, ὅτῳ ...· Da versteht sich τὸ μετὰ τοῦτο zuerst einmal als AO zu ἐννοεῖν; nur wenn das nicht angemessen ist, kann es auch als temporaler Akk. verstanden werden.
Oder bei παιδεία, ἧς οὐκ ἄξιος ἦν: Der Genitiv wird sofort, wenn das Wort ἄξιος fällt, als davon abhängig zu verstehen sein.

Präpositionen:

Auch hier gilt es die Reihenfolge zu beachten. Sie stehen immer "vor" ihrem Beziehungswort (und wenn dies seinerseits ein Ausdruck mit Ergänzungen ist, dann in der Regel ganz am Ende dieses Ausdrucks):
So kann in ἔγραψέν τι τῶν περὶ φύσεως ἄκρων καὶ πρώτων das περί nicht τῶν ἄκρων regieren, sondern nur den Genitiv, der ihm folgt, also φύσεως.
In seltenen Fällen kann eine Präposition zur Postposition werden; dann verschiebt sich aber auch ihr Akzent auf die erste Silbe.

Nächster Termin: Freitag, 29.04.2022, 17:00 Uhr.

Vorbereitung dazu:
Natürlich weiter übersetzen. Aber bitte auch die letzte Korrektur gründlich durchgehen, damit das "Lernen aus den Fehlern" funktioniert. Und reicht mir bitte Eure Übersetzung früh genug ein, auch wenn es dann weniger ist.

Eine Verkürzte Darstellung der Familienverhältnisse Dionysios-Dion habe ich an den Anfang der Text-Datei p24 ... gestellt.
 

 


[1] lies: ὅπως οὖν γέγονεν

[2] ἴττω böotisch für ἴστω = er soll wissen