p23 Protokoll zum 27.03.22 Plat.epVII.342e-343c
Zeit: 10:00 - 12:00 Uhr - Ort: online
anwesend: Caren, Holger, Friedrich - ab 11:00 Uhr auch Ulf
Thema der Sitzung war, die "Schwäche" der Worte auch in Platons Text. Mit Jens Stenzel zu sprechen:
"Diese verzweifelte Mehrdeutigkeit der platonischen Angaben ist in der Tat ein starker Beweis für
die ´Kraftlosigkeit des Wortes`, die Platon an dieser Stelle [...] - auch wieder mit Worten - beweisen will."
Wenn Ihr wollt werde ich Euch auch noch Stenzels Text zukommen lassen, auf den ich bei Maria Liatsi gestoßen bin.
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| Erläuterungen |
15 | οὐ γὰρ ἂν τούτων [342ε] μή τις τὰ τέτταρα λάβῃ ἁμῶς γέ πως, οὔποτε τελέως ἐπιστήμης τοῦ πέμπτου μέτοχος ἔσται. | Denn wenn einer von diesen nicht die vier jedenfalls irgendwie erfasst, wird er niemals vollständig der Erkenntnis des Fünften teilhaftig werden. | Nochmals der Hinweis auf die Satzverbindung/-trennng: γάρ (nie an erster, fast immer an zweiter Stelle, wie auch in Satz 16) leitet einen mit οὺ verneinten Satz ein, in den aber gleich ein Konditionalsatz mit der dort korrekten Verneinung μή eingeschoben ist. Das oὐ wird danach durch das verstärkende οὔποτε wieder aufgenommen. - ἄν mit Konjunktiv bei ἔσται: s. futurischer Fall! - |
16 | πρὸς γὰρ τούτοις ταῦτα οὐχ ἧττον ἐπιχειρεῖ τὸ ποῖόν τι περὶ ἕκαστον δηλοῦν [343α] ἢ τὸ ὂν ἑκάστου διὰ τὸ τῶν λόγων ἀσθενές· | Denn außerdem (über das Gesagte hinaus) als das Seiende (= das Sein/das Was) eines jeden | Warum steht hier γάρ? Ist das Folgende nicht ein neuer Gedanke, also keine Begründung des Vorherigen? Mir scheint, dass es dem in Satz 15 unerklärten Ausdruck ἁμῶς γέ πως gilt; denn wir hören nun in Satz 16 als seine Begründung, wie schwierig die höchste Erkenntnis zu erreichen ist, dass der Weg holprig ist, was ja mit ἁμῶς γέ πως schon angedeutet wird. |
17 | ὧν ἕνεκα νοῦν ἔχων οὐδεὶς τολμήσει ποτὲ εἰς αὐτὸ τιθέναι τὰ νενοημένα ὑπ᾽ αὐτοῦ, καὶ ταῦτα εἰς ἀμετακίνητον, ὃ δὴ πάσχει τὰ γεγραμμένα τύποις. | weswegen niemand, der Verstand hat, jemals wagen (= versuchen) wird, was von ihm gedacht wurde, | Auch hier steht neben dem unspezifischen Gebrauch von νοῦς im umgangsprachlichen ὁ νοῦς ἔχων ein spezifischer Ausdruck derselben Wortwurzel: τὰ νενοημένα. Damit sind die nachdenkenden Bemühungen (des νoῦς) um das "Fünfte" gemeint. Der philosophisch gesinnte Gesprächspartner hält in seinem Reden jede sprachliche Festlegung offen, ist sich der Schwäche der Worte bewusst, und genau dies ist in schriftlich "fixierten" Aussagen nicht möglich. |
18 | τοῦτο δὲ πάλιν αὖ | Und als dieses ( = "so") ´muss man` noch einmal wieder | Schwach antithetisches δέ > "und". |
19 | κύκλος ἕκαστος τῶν ἐν ταῖς πράξεσι γραφομένων ἢ καὶ τορνευθέντων μεστὸς τοῦ ἐναντίου ἐστὶν τῷ πέμπτῳ —τοῦ γὰρ εὐθέος ἐφάπτεται πάντῃ— | Ein jeder Kreis ist voll von dem Gegenteiligen zum Fünften | Asyndese: Der Satz führt wie ein Inhaltssatz, also wie direkte Rede, das Vorherige aus; er könnte auch mit ὅτι eingeleitet werden, das ja häufig unserem Doppelpunkt gleichkommt wie in Satz 24.
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20 | αὐτὸς δέ, φαμέν, ὁ κύκλος οὔτε τι σμικρότερον οὔτε μεῖζον τῆς ἐναντίας ἔχει ἐν αὑτῷ φύσεως. | Der Kreis aber selbst, sagen wir, ´hat` |
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21 | ὄνομά τε αὐτῶν φαμεν οὐδὲν οὐδενὶ [343β] βέβαιον εἶναι, κωλύειν δ᾽ οὐδὲν τὰ νῦν στρογγύλα καλούμενα εὐθέα κεκλῆσθαι τά τε εὐθέα δὴ στρογγύλα, καὶ οὐδὲν ἧττον βεβαίως ἕξειν τοῖς μεταθεμένοις | Und dass der Name dieser Dinge, sagen wir, und dass sie sich um nichts weniger (= nach wie vor) | Auffällig ist, dass mit dem Plural αὐτῶν der Singular ὄνομα verbunden ist; αὐτῶν muss sich dann wohl auf die gemalten und gedrechselten Kreise in Satz 20 beziehen. |
22 | καὶ μὴν περὶ λόγου γε μηδὲν ἱκανῶς βεβαίως εἶναι βέβαιον· | Und wahrlich <gilt> für die Bedeutung/Definition nunmehr dieselbe Aussage, dass sie, keinesfalls genügend fest fest ist. | Nochmals zur Schwäche, ich würde sagen: zur Flexibilität der Sprache: λόγος kommt zweimal im selben Kolon vor und bedeutet jedesmal etwas anderes. |
23 | μυρίος δὲ λόγος αὖ περὶ ἑκάστου τῶν τεττάρων ὡς ἀσαφές, | Tausendfach ist ebenso die Aussage über ein jedes der vier, weil es unsicher ist.
| Die Übersetzung "als eines Unsicheren", die die erste wäre, schiene mir zu unverständlich. Hier ist das kausale Verhältnis die Konsequenz aus dem Vorherigen. |
24 | τὸ δὲ μέγιστον, ὅπερ εἴπομεν ὀλίγον ἔμπροσθεν, ὅτι | Das Wichtigste ist aber, was wir kurz vorher gesagt haben: [dass] | ὀλίγον ἔμπροσθεν: s. Satz 16 |
25 | 1 δυοῖν ὄντοιν, 2 τοῦ τε ὄντος καὶ τοῦ ποιοῦ τινος, 3 οὐ τὸ [343ξ] ποιόν τι, τὸ δὲ τί, ζητούσης εἰδέναι τῆς ψυχῆς, 4 τὸ μὴ ζητούμενον ἕκαστον τῶν τεττάρων προτεῖνον τῇ ψυχῇ λόγῳ τε καὶ κατ᾽ ἔργα,
5 αἰσθήσεσιν εὐέλεγκτον 6 τό τε λεγόμενον καὶ δεικνύμενον ἀεὶ παρεχόμενον ἕκαστον,
7 ἀπορίας τε καὶ ἀσαφείας ἐμπίμπλησι πάσης ὡς ἔπος εἰπεῖν πάντ᾽ ἄνδρα. | Während (adversativ) von zwei Seienden, sowohl vom Sein als auch vom Wie-etwas-Ist (=Wie/Beschaffenheit) ´die Seele` nicht das Wie-etwas-Ist (=Wie/Beschaffenheit) sondern das Was-es-ist (= das Was) zu kennen sucht °°, (Beiordnung) ´hält` ein jedes der vier das nicht Gesuchte °° der Seele vor als den Sinnen leicht Überprüfbares/leicht Zugängliches das Gesagte und das Gezeigte und so (Beiordnung) ´füllt` <es> sozusagen °° jeden Mann °° aus. | Ein Satz, der auf vielerlei Art und doch jedesmal korrekt übersetzt werden kann, und jede Übersetzung erfasst den Sinn auf ihre Art richtig. Zu Anfang folgen zwei unverbundene Gen.abs. aufeinander (1, 3), dabei ist Kolon 1 dem Kolon 3 untergeordnet. Zu Kolon 1 bildet Kolon 2 noch eine Apposition. Um der (nur!) im Dt. allzu unübersichtlichen Verschachtelung zu entgehen, übersetze ich Kolon 1 als Gen.partitivus. |
www.perseus.tufts.edu/hopper/text
25 |
1 δυοῖν ὄντοιν, 2 τοῦ τε ὄντος καὶ τοῦ ποιοῦ τινος, 3 οὐ τὸ [343ξ] ποιόν τι, τὸ δὲ τί, ζητούσης εἰδέναι τῆς ψυχῆς, 4 τὸ μὴ ζητούμενον ἕκαστον τῶν τεττάρων προτεῖνον τῇ ψυχῇ λόγῳ τε καὶ κατ᾽ ἔργα, 5 αἰσθήσεσιν εὐέλεγκτον 6 τό τε λεγόμενον καὶ δεικνύμενον
ἀεὶ παρεχόμενον ἕκαστον,
7 ἀπορίας τε καὶ ἀσαφείας ἐμπίμπλησι πάσης ὡς ἔπος εἰπεῖν πάντ᾽ ἄνδρα. | Rainer Knabs Übersetzung dass, (da es zweierlei gibt,
und somit sozusagen jedermann mit aller Ratlosigkeit und Unsicherheit erfüllt. |
Knab gibt im Kommentar keinerlei Erklärung zu seiner Auffassung der Syntax dieses Satzes. Er übersetzt das ὅτι aus Satz 24 als "dass", dann aus Kolon 1 bis 3 beide Gen.abs. mit Kausalsätzen, die er - frei, aber nachvollziehbar - mit "und" verbindet. Kolon 4 ordnet er dem späteren Verb ἐμπίμπλησι, wie ich es auch getan habe bei.
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25 |
1 δυοῖν ὄντοιν, 2 τοῦ τε ὄντος καὶ τοῦ ποιοῦ τινος, 3 οὐ τὸ [343ξ] ποιόν τι, τὸ δὲ τί, ζητούσης εἰδέναι τῆς ψυχῆς, 4 τὸ μὴ ζητούμενον ἕκαστον τῶν τεττάρων προτεῖνον τῇ ψυχῇ λόγῳ τε καὶ κατ᾽ ἔργα, 5 αἰσθήσεσιν εὐέλεγκτον 6 τό τε λεγόμενον καὶ δεικνύμενον ἀεὶ παρεχόμενον ἕκαστον,
7 ἀπορίας τε καὶ ἀσαφείας ἐμπίμπλησι πάσης ὡς ἔπος εἰπεῖν πάντ᾽ ἄνδρα. | Luc Brisson étant donne ces deux choses - ce qu'est une chose et le fait qu'elle est telle ou telle -, ce n'est pas « le fait d'être tel ou tel », mais le « ce que c'est » que cherche à connaítre l'âme. Chacun de ces quatre facteurs, en proposant à l'âme, en actes et en paroles, ce qu'elle ne cherche pas,
en lui présentant chaque fois, que ce soit en le disant ou en le montrant, ce qui peut toujours être facilement réfuté par la sensation,
remplit, pour ainsi dire, tout homme d'une perplexité et d'une incertitude totales. |
Auch Brisson sieht Kolon 1 dem Kolon 3 untergeordnet. Allerdings übersetzt er Kolon 3 als Hauptsatz. Ok.
"Indem jeder der drei Faktoren indem er ihr jedesmal anbietet was es sei, wenn man es nennt und zeigt, füllt er sozusagen jeden Mann .... Je construit :
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zu ἐλέγχω:
Gemoll gibt folgende Bedeutungen an: beschimpfen, widerlegen, beweisen, untersuchen, prüfen.
Warum in allen Platonübersetzungen immer wieder ganz selbstverständlich "widerlegen" erscheint, habe ich noch nicht herausgefunden. Bis dahin ziehe ich für unseren Text "untersuchen, prüfen" vor. So auch in Satz 25, Kolon 6: εὐέλεγκτος.
Nächster Termin: Sonntag, 03.04.2022, 10:00 Uhr.
Bitte an Holger: Wenn Du am 03.04. nicht teilnehmen kannst, teile uns bitte Deine weiteren Abwesenheitstermine in den Osterferien mit.
Über die Ostertage (16.4. bis 20.04.) werde ich selbst auch keine Zeit haben, da wir Familienbesuch von all unseren Kindern und Enkeln bekommen.
Vorbereitung dafür:
Weitermachen! Was sonst?
Und wie steht's um die Wiederholung von Vokabeln, etwa ab p14?
(Friedrich)